Der Russlandfeldzug Napoleons 1812: Ursachen, Verlauf, Ende und historische Perspektiven
Der Russlandfeldzug Napoleons von 1812, auch bekannt als der Zweite Polnische Krieg oder Patriotischer Krieg in Russland, gilt als eine der größten militärischen Katastrophen der Geschichte. Er markierte den Anfang vom Ende der napoleonischen Vorherrschaft in Europa. Im Folgenden werden die Ursachen, der Beginn, der Verlauf, das Ende sowie alternative historische Perspektiven beleuchtet.
Diese Abhandlung ist Teil der Rubrik Historie und Gesellschaft.
1. Ursachen des Russlandfeldzugs
Der Feldzug hatte politische, wirtschaftliche und strategische Gründe:
- Kontinentalblockade: Napoleon führte 1806 die Kontinentalblockade ein, um Großbritannien wirtschaftlich zu schwächen, indem er den Handel mit britischen Waren in Europa verbot. Russland, ein wichtiger Handelspartner Großbritanniens, hielt sich ab 1810 nicht mehr an diese Blockade, was Napoleon als Provokation ansah.
- Machtpolitik: Napoleon wollte Russland als Teil seines europäischen Systems unter Kontrolle halten. Zar Alexander I. zeigte jedoch zunehmend Unabhängigkeit, was Napoleon als Bedrohung empfand.
- Politische Spannungen: Der Vertrag von Tilsit (1807) zwischen Frankreich und Russland war brüchig. Russland fühlte sich durch Napoleons Ambitionen, insbesondere durch die Schaffung des Herzogtums Warschau (eine Art polnischer Staat unter französischer Kontrolle), bedroht.
- Strategische Ziele: Napoleon plante, Russland zu einem kurzen, entscheidenden Krieg zu zwingen, um Zar Alexander zu einer Allianz zu zwingen und seine Macht in Europa zu festigen.
Die Spannungen eskalierten, als Russland 1811 Truppen an die Grenze zum Herzogtum Warschau verlegte. Napoleon sah dies als Kriegsvorbereitung und entschied sich für einen Präventivschlag.
2. Beginn des Feldzugs
Der Russlandfeldzug begann am 24. Juni 1812, als Napoleons Grande Armée – eine multinationale Armee mit etwa 600.000 Soldaten aus Frankreich, Polen, Deutschland, Italien und anderen verbündeten Staaten – den Fluss Njemen überschritt und in russisches Gebiet einmarschierte.

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Ziele Napoleons: Er plante, die russische Armee schnell in einer entscheidenden Schlacht zu stellen und zu vernichten, um Zar Alexander zu Verhandlungen zu zwingen.
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Logistische Herausforderungen: Die Größe der Armee war enorm, aber die Versorgung über weite Strecken in einem dünn besiedelten Land mit schlechter Infrastruktur war problematisch.
3. Verlauf des Krieges
Der Feldzug war geprägt von Rückzügen, einer verheerenden Logistik und schließlich dem harten russischen Winter. Hier die wichtigsten Stationen:
a) Frühe Phase: Rückzug der Russen
- Die russische Armee setzte die Taktik der verbrannten Erde ein: Sie zerstörte Vorräte, Dörfer und Felder, um Napoleons Armee von Nachschub abzuschneiden.
- Napoleon rückte schnell vor, eroberte Städte wie Wilna (heute Vilnius) und Witebsk, fand aber keine entscheidende Schlacht. Die russische Armee zog sich weiter zurück.
- Die Grande Armée schrumpfte bereits durch Krankheiten, Desertionen und Hunger. Im August 1812 hatte Napoleon etwa ein Drittel seiner Truppen verloren, ohne große Kämpfe zu führen.

b) Schlacht von Smolensk (17.–18. August 1812)
- Napoleon traf bei Smolensk erstmals auf erheblichen russischen Widerstand. Die Stadt wurde erobert, aber die Russen zogen sich erneut zurück.
- Die Schlacht zeigte, dass die Russen bereit waren zu kämpfen, aber weiterhin große Schlachten vermieden.
c) Schlacht von Borodino (7. September 1812)
- Die größte und blutigste Schlacht des Feldzugs fand bei Borodino (ca. 120 km westlich von Moskau) statt. Unter dem Kommando von General Michail Kutusow, der Barclay de Tolly ablöste, stellten sich die Russen Napoleons Armee.
- Die Schlacht war ein Gemetzel: Etwa 70.000 Soldaten (beider Seiten) wurden getötet oder verwundet. Napoleon siegte taktisch, aber die russische Armee blieb intakt und zog sich geordnet zurück.
- Borodino war ein Pyrrhussieg für Napoleon, da er keine Entscheidung erzwingen konnte.
d) Einnahme von Moskau (14. September 1812)
- Napoleon erreichte Moskau, die alte Hauptstadt Russlands, und erwartete Verhandlungen mit Zar Alexander. Doch die Stadt war weitgehend verlassen.
- Am Tag der Einnahme brachen Brände aus (vermutlich durch russische Sabotage), die große Teile Moskaus zerstörten. Ohne Vorräte und mit einer unbewohnbaren Stadt war Napoleons Position unhaltbar.
- Zar Alexander weigerte sich, zu verhandeln.

e) Rückzug aus Moskau (ab Oktober 1812)
- Am 19. Oktober 1812 begann Napoleon den Rückzug aus Moskau. Die Grande Armée war auf etwa 100.000 Mann geschrumpft.
Hauptgrund für den Rückzug: Napoleon erkannte, dass ein Verbleib in Moskau weder militärisch noch politisch sinnvoll war. Er hoffte, durch Verhandlungen mit Zar Alexander I. einen Frieden zu erzwingen, doch die Russen lehnten Verhandlungen ab. Ohne Ressourcen, mit einer schwindenden Armee und der Gefahr, von russischen Truppen eingekesselt zu werden, war der Rückzug unvermeidlich. - Der Rückzug wurde zur Katastrophe:
- Russische Kosaken und Partisanen attackierten ständig die Nachhut.
- Der frühe Winter brachte extreme Kälte (bis zu -30 °C).
- Hunger und Krankheiten wie Typhus dezimierten die Armee weiter.

- Schlacht an der Beresina (26.–29. November 1812): Beim Überqueren des Flusses Beresina erlitt Napoleon schwere Verluste durch russische Angriffe und logistische Fehler. Dennoch gelang es ihm, mit einem Rest seiner Armee zu entkommen. Mehr bei Wikipedia.

f) Ende der Kampagne
- Im Dezember 1812 überschritt Napoleon mit etwa 20.000 bis 50.000 überlebenden Soldaten die Njemen und verließ Russland. Die Grande Armée war nahezu vernichtet.
- Napoleon selbst verließ die Armee Anfang Dezember, um nach Paris zurückzukehren, da dort ein Putschversuch drohte.

5. Ende des Feldzugs
Der Russlandfeldzug endete im Dezember 1812 mit einer der größten militärischen Niederlagen der Geschichte. Die Grande Armée wurde durch folgende Faktoren zerstört:
- Logistische Probleme: Die Armee konnte sich in Russland nicht versorgen.
- Taktik der verbrannten Erde: Die Russen hinterließen keine Ressourcen.
- Russischer Widerstand: Kutusows Strategie des Rückzugs und die Partisanenkriege schwächten Napoleon.
- Winter: Der harte russische Winter verschärfte die Situation, war aber nicht die alleinige Ursache.
Folgen:
- Politische Schwächung: Der Verlust der Grande Armée machte Napoleon in Europa angreifbar. Die Sechste Koalition (Preußen, Österreich, Russland, Großbritannien) formierte sich 1813 gegen ihn.
- Militärische Niederlage: Napoleons Nimbus der Unbesiegbarkeit war dahin.
- Russland: Der Sieg stärkte das nationale Bewusstsein Russlands und etablierte Kutusow als Nationalheld.
6. „Der Sieger schreibt die Geschichte“: Alternative Thesen und Perspektiven
Die Darstellung des Russlandfeldzugs ist stark von der europäischen und russischen Geschichtsschreibung geprägt. Die Redewendung „Der Sieger schreibt die Geschichte“ wirft die Frage auf, ob alternative Interpretationen existieren, die von der gängigen Meinung abweichen. Hier sind einige Überlegungen:
a) Gängige Darstellung
- Die gängige Meinung in westlichen Ländern betont Napoleons strategische Fehler, die Überdehnung seiner Armee und den russischen Widerstand als Schlüsselfaktoren für die Niederlage.
- In Russland wird der Feldzug als Patriotischer Krieg gefeiert, bei dem das russische Volk und die militärische Führung unter Kutusow den Eindringling besiegten. Der Winter wird oft als entscheidender Verbündeter dargestellt.
b) Alternative Thesen
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Logistik statt Winter: Einige Historiker argumentieren, dass der Winter überbewertet wird. Bereits vor dem Einbruch der Kälte hatte Napoleon durch Krankheiten, Hunger und Desertionen die Hälfte seiner Armee verloren. Die Logistik war der entscheidende Faktor, nicht allein das Wetter.
- Napoleons Gesundheit: Es gibt Spekulationen, dass Napoleons gesundheitliche Probleme (z. B. Magenbeschwerden oder mögliche psychische Belastungen) seine Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigten. Dies wird jedoch nicht einheitlich anerkannt.
- Russische Schwäche?: Manche Historiker betonen, dass die russische Armee trotz des Sieges in einer schwierigen Lage war. Die Taktik der verbrannten Erde schadete auch der russischen Bevölkerung massiv, und die russische Armee war nach Borodino geschwächt. Ohne Napoleons Rückzug hätte der Krieg möglicherweise anders verlaufen können.
- Propaganda: In Russland wurde der Sieg über Napoleon stark heroisiert, um das Zarenregime zu stärken. Kutusow wurde zum Nationalhelden stilisiert, obwohl seine Rolle umstritten war (Barclay de Tolly trug maßgeblich zur Strategie bei). Dies zeigt, wie der „Sieger“ die Geschichte prägt.
- Französische Perspektive: In Frankreich wurde die Niederlage lange heruntergespielt. Napoleon selbst betonte in seinen Memoiren die Rolle des Winters und der russischen „Barbarei“, um seine Verantwortung zu minimieren.
c) Kulturelle Unterschiede
- Westliche Historiker neigen dazu, den Feldzug als logistische und strategische Katastrophe zu analysieren, während russische Quellen den Patriotismus und die Opferbereitschaft des Volkes hervorheben.
- Literatur und Kunst: Leo Tolstois „Krieg und Frieden“ prägte die russische Sichtweise stark und betonte die Rolle des Volkes über die der Generäle. Solche Werke verstärken die nationale Perspektive und können historische Details verzerrn.
d) Moderne Forschung
Die moderne Geschichtswissenschaft nutzt Quellen wie Soldatenbriefe, Logistikberichte und archäologische Funde (z. B. Massengräber), um ein differenzierteres Bild zu zeichnen. Sie zeigt, dass der Feldzug ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren war, und hinterfragt sowohl die napoleonische als auch die russische Propaganda.
7. Zusammenfassung, Fazit und Fragen
Der Russlandfeldzug von 1812 war eine Katastrophe für Napoleon und ein Wendepunkt in den Napoleonischen Kriegen. Er begann am 24. Juni 1812, verlief über die Schlachts von Smolensk und Borodino, kulminierte in der Einnahme und Zerstörung Moskaus und endete im Dezember 1812 mit dem Rückzug der zerstörten Grande Armée. Ursachen waren die Kontinentalblockade, politische Spannungen und Napoleons Machtambitionen. Der russische Widerstand, die Taktik der verbrannten Erde und logistische Probleme führten zur Niederlage. Der Rückzug startete schon Mitte Oktober, bevor der extreme Kälte einsetzte. Die Wetterbedingungen verschlimmerten den Rückzug erheblich, waren aber nicht der Hauptgrund für die Entscheidung, Moskau zu verlassen.
Zusammenfassend: Die Ressourcenknappheit und der Schwund der Armee waren die entscheidenden Gründe für den Rückzug, während der Winter die Katastrophe auf dem Rückmarsch (insbesondere ab November) verstärkte.
Die Redewendung „Der Sieger schreibt die Geschichte“ zeigt sich in den unterschiedlichen Darstellungen: Russland feiert den Patriotismus, während westliche Historiker Napoleons Fehler betonen. Alternative Thesen hinterfragen die Rolle des Winters, Napoleons Gesundheit oder die russische Lage. Die moderne Forschung liefert ein nuanciertes Bild, das Propaganda und Mythen entlarvt.
Bei der Recherche bin ich auf Detailfragen gestoßen.
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Frage 1:
Die Armee Napoleons dachte also sich von Plünderungen versorgen zu können. Trotzdem verstehe ich nicht, warum sich die Armee im Spätsommer und Frühherbst bei angenehmem Wetter nicht durch Tiere oder pflanzliche Nahrung ernähren konnte?
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Die russische Taktik der verbrannten Erde Felder, Vorräte und Tiere zerstörte.
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Die Größe der Armee die lokalen Ressourcen bei Weitem überstieg.
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Die schlechte Infrastruktur und weiten Distanzen die Versorgung erschwerten.
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Die Armee nicht auf Selbstversorgung vorbereitet war (keine Kenntnisse in Landwirtschaft oder Jagd).
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Krankheiten, Desertionen und Partisanenangriffe die Situation verschärften.
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Die Erntezeit verpasst wurde und der frühe Winter die Krise verstärkte.
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Napoleons Strategie, die auf schnelle Siege und Plünderungen in dichter besiedelten Regionen ausgelegt war, scheiterte an den einzigartigen Bedingungen Russlands. Die Kombination aus russischer Taktik, logistischen Herausforderungen und der schieren Größe der Armee machte eine ausreichende Versorgung unmöglich. Hier die vollständige Antwort von Grok XAI
Frage 2:
Dann kam der strenge Winter praktisch nur noch oben mit drauf. Die Hauptursache in der Niederlage sind die Fehleinschätzung über die benötigten Ressourcen und die Taktik der verbrannten Erde, die die Ressourcen-Not noch weiter verstärkte?
Antwort:
Ja, die Hauptursachen für Napoleons Niederlage waren seine Fehleinschätzung der logistischen Anforderungen und die russische Taktik der verbrannten Erde, die die Ressourcenknappheit dramatisch verschärfte. Der Winter kam „oben drauf“ und machte die Rückzugsroute noch mörderischer, war aber nicht der entscheidende Faktor. Ohne die russische Zerstörungstaktik und Napoleons mangelnde Planung hätte die Armee möglicherweise länger durchgehalten, aber die Grundprobleme wären geblieben.
Diese Abhandlung ist Teil der Rubrik Historie und Gesellschaft.
Einige historische Ereignisse, die maßgeblich von Wetter und Witterung geprägt waren, unter „Außergewöhnliche Wetterereignisse in Mitteleuropa der letzten 2000 Jahre„.