Die Laptew-See, ein Randmeer des Nordpolarmeers vor der Nordküste Sibiriens, wird oft als die „Eisfabrik der Arktis“ bezeichnet. Diese Bezeichnung unterstreicht ihre zentrale Rolle in der Produktion von Meereis, das für das Klima und die Ökologie der Arktis von entscheidender Bedeutung ist. In diesem Artikel erläutere ich, warum die Laptew-See diese einzigartige Funktion einnimmt, wie Sibirien dabei eine Schlüsselrolle spielt und wie generell die Eisdrift in der Arktis funktioniert. Diese Abhandlung gehört thematisch zusammen mit „Die Kältepole der Nordhalbkugel – Kanadische Arktis und Sibiren“ und „Die Natur der Hudson-Bay und umliegender Regionen„.
Die Laptew-See: Geografische und klimatische Besonderheiten
Die Laptew-See erstreckt sich nördlich von Russland zwischen der Taimyr-Halbinsel im Westen und den Neusibirischen Inseln im Osten. Mit einer Fläche von etwa 714.000 Quadratkilometern und einer durchschnittlichen Tiefe von 578 Metern gehört sie zu den flachen Schelfmeeren des Arktischen Ozeans. Ihre geologische Struktur und die klimatischen Bedingungen machen sie zu einem idealen Ort für die Eisbildung. Die Region ist nur wenige Monate im Jahr eisfrei, typischerweise zwischen Juli und September, während der Rest des Jahres von niedrigen Temperaturen und intensiver Eisproduktion geprägt ist.
Ein entscheidender Faktor für die Eisbildung sind die sogenannten Polynjas – eisfreie Wasserflächen, die selbst im Winter zwischen dem festen Küsteneis und dem Treibeis des offenen Ozeans bestehen bleiben. Diese Polynjas entstehen durch starke Winde, die das Eis vom Land wegdrücken, und durch die Süßwassereinträge großer sibirischer Flüsse wie der Lena, die das Meerwasser an der Oberfläche weniger salzhaltig und damit leichter gefrierbar machen. In diesen offenen Wasserflächen bildet sich im Winter besonders viel neues Eis, das die Laptew-See zu einer der produktivsten Regionen für Meereis macht. Forscher schätzen, dass zwischen 1979 und 1995 jährlich durchschnittlich 483.000 Quadratkilometer Eis in der Laptew-See entstanden – mehr als in den benachbarten Randmeeren wie der Barentssee, Karasee oder Tschuktschensee zusammen.

Sibiriens Rolle: Klimaküche und Süßwassereinfluss
Sibirien ist untrennbar mit der Funktion der Laptew-See als Eisfabrik verbunden. Die Region wirkt als eine der wichtigsten „Klimaküchen“ der Welt, da sie durch ihre geografischen und hydrologischen Eigenschaften das Klima der Arktis maßgeblich beeinflusst.
Süßwassereinträge der sibirischen Flüsse
Große Flüsse wie die Lena, die Olenjok, die Jana und die Chatanga münden in die Laptew-See und bringen enorme Mengen an Süßwasser in das Randmeer. Besonders das Delta der Lena, eines der größten Flussdeltas der Welt, trägt dazu bei, den Salzgehalt des Meerwassers an der Oberfläche zu senken. Dieses weniger salzhaltige Wasser gefriert schneller als salzreiches Meerwasser, was die Eisbildung in der Laptew-See begünstigt. Zudem sorgt das Süßwasser für eine Schichtung im Meer: Leichteres, weniger salzhaltiges Wasser bleibt an der Oberfläche, während schwereres, salzhaltigeres Wasser aus dem Atlantik in tieferen Schichten bleibt. Diese natürliche „Isolierung“ schützt die Eisbildung an der Oberfläche vor dem wärmeren Atlantikwasser.

Extreme klimatische Bedingungen
Die sibirische Küste ist von extremen klimatischen Bedingungen geprägt, mit Wintertemperaturen, die regelmäßig auf bis zu minus 40 Grad Celsius sinken. Diese Kälte ist eine Voraussetzung für die massive Eisproduktion in der Laptew-See. Gleichzeitig treiben starke, ablandige Winde das neu gebildete Eis von der Küste weg, wodurch Platz für die Bildung weiteren Eises in den Polynjas entsteht. Dieser Prozess macht die Laptew-See zu einem „Förderband“ für Meereis, das kontinuierlich in den Arktischen Ozean gelangt.
Permafrost und Küstenerosion
Sibirien ist auch für seine ausgedehnten Permafrostböden bekannt, die die Küstenregionen der Laptew-See stabilisieren. Doch der Klimawandel führt zu einem Auftauen dieser Böden, was die Küstenerosion beschleunigt. Forscher berichten, dass bis zu zehn Meter Küstenlinie pro Jahr verloren gehen und sogar ganze Inseln in der Laptew-See verschwinden. Diese Erosion beeinflusst nicht nur die Küstenlandschaft, sondern auch die Sedimenteinträge ins Meer, die wiederum die Ökologie und die Eisbildung beeinflussen können.
Die Eisdrift in der Arktis: Die Reise des Meereises
Die Eisdrift, also die Bewegung des Meereises durch Wind und Meeresströmungen, ist ein zentraler Prozess in der Arktis, der das Klima und die Ökosysteme der Region prägt. In der Laptew-See gebildetes Eis spielt dabei eine Schlüsselrolle, da es den Ausgangspunkt für eine der wichtigsten Strömungen der Arktis bildet: die Transpolardrift.
Die Transpolardrift
Die Transpolardrift ist eine großräumige Meeresströmung, die Meereis von den sibirischen Schelfmeeren, insbesondere der Laptew-See, quer über den Nordpol bis zur Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen transportiert. Dieser Transport dauert etwa zwei bis drei Jahre, wobei das Eis auf seinem Weg durch Wind, Strömungen und Temperaturschwankungen beeinflusst wird. Während dieser Reise verdickt sich das Eis durch das Zusammenpressen von Schollen und das Anhäufen von Schnee, bis es als sogenanntes „Packeis“ in den Nordatlantik gelangt, wo es schließlich schmilzt.
Die Transpolardrift ist nicht nur ein physikalischer Prozess, sondern auch ein ökologisch wichtiger Mechanismus. Mit dem Eis werden Nährstoffe, Algen und Sedimente über den Arktischen Ozean transportiert, die die biogeochemischen Kreisläufe und die Artenvielfalt der Region beeinflussen. Früher erreichte etwa die Hälfte des in der Laptew-See gebildeten Eises die Framstraße, doch aufgrund des Klimawandels ist dieser Anteil auf nur noch 20 Prozent gesunken, was erhebliche Folgen für die Ökosysteme hat.
Der Beaufortwirbel
Neben der Transpolardrift gibt es eine zweite bedeutende Strömung in der Arktis: den Beaufortwirbel. Diese zirkuläre Strömung bewegt Eis im Uhrzeigersinn vor den Küsten Alaskas, Kanadas und Grönlands in der Beaufortsee. Im Gegensatz zur Transpolardrift, die das Eis aus der Arktis herausführt, hält der Beaufortwirbel das Eis länger in der Region und trägt dazu bei, dass es dicker wird, da es über mehrere Jahre zirkulieren kann. Das dickste Eis der Arktis, mit bis zu drei Metern im Frühjahr, findet sich daher oft in der Beaufortsee und rund um den Nordpol, während das dünnste Eis – etwa ein Meter – in der Laptew-See und anderen Schelfmeeren im Herbst vorkommt.
Dynamik und Geschwindigkeit der Eisdrift
Die Geschwindigkeit der Eisdrift variiert je nach Wind, Meeresströmungen und Eisbeschaffenheit. Im Durchschnitt bewegt sich das Eis mit etwa 1 bis 2 Prozent der Windgeschwindigkeit, was Monatsmitteln von etwa 0,25 bis 0,5 Kilometern pro Stunde entspricht. Seit 1992 hat die Geschwindigkeit der Eisdrift in der Arktis um etwa 20 Prozent zugenommen, was auf dünneres Eis und stärkere Winde zurückzuführen ist.
Die Bewegung des Eises wurde erstmals systematisch vom norwegischen Polarforscher Fridtjof Nansen untersucht, der mit seiner „Fram-Expedition“ (1893–1896) bewies, dass sich Eis mit den Strömungen über den Nordpol bewegen kann. Seine Beobachtungen legten den Grundstein für das Verständnis der Eisdrift und inspirierten spätere Forschungen, wie die Expedition der „Polarstern“, die 2019–2020 die Transpolardrift mit modernen Messmethoden untersuchte. Hier eine Abbildung der Eisdrift in der Arktis.
Der Klimawandel: Bedrohung für die Eisfabrik
Die Laptew-See und die Eisdrift in der Arktis stehen vor enormen Herausforderungen durch die moderne Erwärmung, medial oft als der Klimawandel beschrieben. Die Region erwärmt sich etwa fünfmal schneller als der globale Durchschnitt, was tiefgreifende Auswirkungen auf die Eisproduktion und die Ökosysteme hat. Das Eis in der Laptewsee taut im Sommer nicht immer komplett weg, aber aufgrund der derzeitigen Erwärmung gibt es zunehmend längere eisfreie Perioden. Typischerweise beginnt das Eis in der Laptewsee im späten Frühjahr (Mai/Juni) zu schmelzen, und in manchen Jahren ist die See im August oder September weitgehend eisfrei. Ein vollständiges Abtauen hängt jedoch von den jährlichen Witterungs-Bedingungen ab.
Verzögerte Eisbildung
Normalerweise beginnt die Eisbildung in der Laptew-See im September oder Oktober. Doch im Jahr 2020 setzte die Eisbildung so spät wie nie zuvor ein, was auf eine extreme Hitzewelle in Sibirien mit Temperaturen bis zu 38 Grad Celsius zurückzuführen war. Diese Verzögerung führt dazu, dass die Eisbildungssaison kürzer wird und weniger Eis produziert wird.
Rückgang der Meereisausdehnung
Die Ausdehnung des arktischen Meereises nimmt seit Jahrzehnten ab, mit einem Rückgang von etwa 8 Prozent pro Jahrzehnt im September-Minimum. 2025 verzeichnete die Arktis mit 14,45 Millionen Quadratkilometern die geringste winterliche Meereisausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen 1979. In der Laptew-See schmilzt zudem bis zu 80 Prozent des jungen Eises, bevor es die Transpolardrift erreicht, was den Nachschub für die zentrale Arktis drastisch reduziert.
Ökologische Folgen
Der Rückgang des Meereises verändert die Ökosysteme der Laptew-See und der gesamten Arktis. Planktonarten, die an die kalten Bedingungen angepasst sind, werden zunehmend von Arten aus dem Atlantik verdrängt, was die Nahrungsnetze beeinflusst. Eisbären, die auf das Eis angewiesen sind, um Robben zu jagen, verlieren ihren Lebensraum. Zudem führt das Schmelzen des Eises zu einer verstärkten Absorption von Sonnenenergie durch die dunkle Meeresoberfläche, was die Erwärmung weiter beschleunigt – ein Prozess, der als Eis-Albedo-Rückkopplung bekannt ist.
Infrastruktur und Küstenerosion
Die längeren eisfreien Perioden und das Auftauen der Permafrostböden führen zu schweren Schäden an der Infrastruktur entlang der sibirischen Küste. Herbststürme, die früher über das Eis hinwegfegten, verursachen nun Wellen, die ungeschützte Küsten erodieren. Häuser in sibirischen Siedlungen wie Tiksi zeigen Risse, und ganze Inseln verschwinden. Diese Veränderungen bedrohen die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung und könnten langfristig zur Umsiedlung von Gemeinden führen.
Eisbären in Nordsibirien und auf der Laptew-See.
Eisbären (Ursus maritimus) sind in der arktischen Region Nordsibiriens verbreitet, insbesondere auf Inseln wie den Neusibirischen Inseln, der Wrangel-Insel und anderen Küstengebieten entlang der Ostsibirischen See und der Laptew-See. Die Wrangel-Insel gilt als besonders wichtiger Lebensraum und wird oft als „Kinderstube der Eisbären“ bezeichnet, da dort viele Eisbärenjunge geboren werden.
In Nordsibirien nutzen Eisbären das Meereis für die Jagd nach Robben, ihrem Hauptnahrungsquell. Im Sommer, wenn das Eis schmilzt, kommen sie häufiger an Land, z. B. in verlassene Dörfer oder Müllhalden, um nach Nahrung zu suchen, was zu Konflikten mit Menschen führen kann (z. B. auf der Insel Kolyuchin).
Eisbären sind in Nordsibirien und der Laptew-See potenziell gefährlich. Ihre Neugier und ihr Hunger können sie in die Nähe von Siedlungen treiben, wie z. B. auf Nowaja Semlja, wo 2019 der Notstand ausgerufen wurde, weil Dutzende Eisbären eine Siedlung durchstreiften.
Angriffe sind zwar selten, aber möglich, besonders wenn Eisbären hungrig sind oder sich bedroht fühlen. Vorsichtsmaßnahmen wie das Mitführen von Waffen, Lärmgeräten oder das Reisen in Gruppen sind auch hier essenziell.
Eisbären sind in Nordsibirien und auf dem Eis der Laptew-See definitiv präsent, gehören zu spezifischen Populationen und sind auf Meereis angewiesen. Die Wrangel-Insel und die Laptew-See sind besonders bedeutende Lebensräume für Eisbären.

Schlussbemerkungen und die Zukunft der Eisfabrik
Die Laptew-See ist die Eisfabrik der Arktis, weil sie durch ihre einzigartigen geografischen, hydrologischen und klimatischen Bedingungen eine unvergleichliche Menge an Meereis produziert. Sibirien spielt dabei eine zentrale Rolle, indem es Süßwasser, extreme Kälte und Permafrostböden bereitstellt, die die Eisbildung ermöglichen. Die Eisdrift, insbesondere die Transpolardrift, transportiert dieses Eis über den Nordpol und prägt das Klima und die Ökosysteme der Arktis.
Doch der Klimawandel bedroht dieses empfindliche System. Die verzögerte Eisbildung, der Rückgang der Meereisausdehnung und die ökologischen Veränderungen zeigen, dass die Eisfabrik an ihre Grenzen stößt. Durch fortlaufende Forschung, wie die deutsch-russischen Expeditionen und Projekte wie „Transdrift“, können wir die komplexen Zusammenhänge besser verstehen und hoffentlich Strategien entwickeln, um die Arktis und ihre einzigartige Eisfabrik zu bewahren.
Die Laptewsee – weitere Informationen.
Aktuelle Temperatur und Windrichtung an der Laptew-See von Ventusky
7 Tage Vorhersage von Wetter24.de
- Oimjakon (Nordostsibirien)
- Werchojansk (Nordostsibirien)
- Tiksi (Nordsibirien)
- Jakutsk (Sibirien)
- Alert (Nord-Kanada)
- Eureka (Nord-Kanada)
Prognose Temperatur und Wind in der Arktis
Prognose der Lufttemperatur und Windrichtung in der Arktis und angrenzenden Regionen in den kommenden 10 Tagen (ECMWF)

– Auf das Bild klicken für die aktuelle Prognose.
– Dann links oben „Arctic“ und den Vorhersagezeitpunkt auswählen
Prognose der Schnee- und Eisbedeckung in der Arktis
Prognose der Schnee- und Eisdecke in der Arktis und angrenzenden Regionen in den kommenden 10 Tagen (ECMWF)

– Auf das Bild klicken für die aktuelle Prognose.
– Dann links oben „Arctic“ und den Vorhersagezeitpunkt auswählen